Lehrgang mit Chris Bartle, 6.-8.1.2017 in Winterthur

 

"Blick nach vorne, Hände tief unter die Augen, Fussspitze vors Knie, Schwerpunkt hinten lassen..."

Der SEC konnte Chris Bartle für einen dreitägigen Lehrgang gewinnen. Jedes Paar kam in den Genuss von zwei Lektionen: Dressurmässige Gymnastik und technische Herausforderungen aus dem Geländereiten.

Über Chris Bartle

1976 verletzte sich sein CC-Pferd Wily Trout und konnte nicht mehr im CC eingesetzt werden. Bereits ein Jahr später nahm er mit ihm an der Dressur-Weltmeisterschaft teil. Von 1981 bis 1987 gehörten sie zur britischen Dressurmannschaft. Bei der Olympiade 1984 in Los Angeles war Bartle als Sechster bestplatzierter Brite. Anschliessend wandte er sich wieder dem Concours Complet zu und gewann 1997 Mannschaftsgold bei den Europameisterschaften. Ein Jahr später gewann er mit Word Perfect den CCI**** Badminton. Wohnhaft ist er im Norden Englands, wo er zusammen mit seiner Frau und Schwester das Yorkshire Riding Centre betreibt.

Chris Bartle betreute die letzten 16 Jahre das Deutsche Vielseitigkeits-Team. Hier ein spannendes Interview mit Chris Bartle über seine Zeit in Deutschland, was er den Deutschen beibrachte bzw. von ihnen lernte und was nun seine Ziele in Grossbritannien sind, wo er das Amt von Jogi Breisner als High Performance Coach übernommen hat.

 


Trabstangen und Galopp-Cavalettis wurden in der ersten Lektion miteinbezogen


Chris veranschaulichte seine Anweisungen

 

Dressurmässige Gymnastik


Chris "ritt" mit und gab Tipps

In der ersten Lektion war dressurmässige Gymnastik angesagt. Dabei wurden Trabstangen und Galopp-Cavaletti miteingebaut. Er verlangte immer wieder Konterstellung mit hohen Händen, bis die Pferde diese akzeptierten. „Inneres Bein, äusserer Zügel, eure Pferde müssen durchlässig sein, damit ihr sie gerade auf der Linie halten könnt. Die innere Hand folgt immer der Schulter des Pferdes, ist also nie hinter eurer Hüfte. Der Reiter ist für die Balance, die Linie und den Rhythmus verantwortlich. Nich nach unten schauen und eine Distanz suchen“, beobachtete und korrigierte er.


Er beobachtete genau und korrigierte individuell


Gymnastizierende Übung: vor und nach den Cavalettis eine Volte in Konterstellung einbauen

 


"Ihr müsst 2/3 des Pferdes vor euch haben"

In der jeweiligen zweiten Lektion wurden technische Anforderungen aus dem Gelände in Form von Linien, schmalen und schräg zu springenden Elementen und einer Ecke aus Stangen geübt. Chris Bartle, der ursprünglich Jockey war, ist bekannt dafür, seinen Schülern als erstes die Steigbügel um einige Löcher kürzer zu schnallen. „Eure Sitzposition ist entscheidend beim Geländereiten. Eure Fussspitzen gehören vors Knie, euer Schwerpunkt hinter den Schwerpunkt des Pferdes. Je kürzer die Bügel, desto weiter hinten der Schwerpunkt.


Chris veranschaulichte, was mit dem Gleichgewicht passiert, wenn sich die Sitzposition des Reiters ändert.


Er sah alles und hatte für alles eine Lösung

 

Die Hände tief und unter den Augen behalten. Den Blick nach vorne. Eure Augen sind entscheidend für das Gleichgewicht und die Balance. Reitet mit Konterstellung um die Kurve und springt jeweils die Innenseite eines Hindernisses. Merkt euch einen Punkt hinter dem Hindernis bzw. schaut bei einer Kombination auf das hintere Element. All dies ist entscheidend, um erfolgreich Aufgaben zu lösen.“


Technische Gelände-Herausforderungen in der Halle


Chris korrigierte bis er fast keine Stimme mehr hatte. Danke, Jasmin, für dein Ausharren und helfen!

 

Vortrag: Chris Bartle' Regeln zum Anreiten von Geländehindernissen


Die Mitglieder lauschten dem interessanten Vortrag

Anschliessend an die Mitgliederversammlung hielt Bartle einen Vortrag über seine Regeln zum Anreiten von Geländehindernissen. „Das Ziel ist null in der Zeit mit Sicherheit. Es gibt fünf Sitzpositionen beim Geländereiten: den leichten Sitz zwischen den Hindernissen, den Kontrollsitz bei der Vorbereitung, den Kontaktsitz beim Anritt vor dem Hindernis, den Landungssitz und den defensiven „Safety seat“ bzw. die „oh shit position“. Mein System beinhaltet die Vorbereitung, Action und dann die Position bei der Landung. Bei der Vorbereitung wird der Pferdekopf nach aussen gestellt, die Hände bleiben dabei tief. Die Länge des Galoppsprungs wird nun eingestellt, im leichten Sitz in den Versammlungsgrad mit engagiertem Hinterbein. Schaut auf die Linie, reitet die Innenseite der Hindernismitte an. Nun folgt Action: hier könnt ihr die Pferde je nach Typ unterschiedlich unterstützen. Auf heissen Pferden bleibt ihr still sitzen, andere könnt ihr mit dem Schenkel beeinflussen. Euer Sitz beeinflusst die Länge des Galoppsprungs. Der Sitz schiebt ein Pferd nach vorne und verlängert den Galoppsprung. Bildet eine Zügelbrücke, so könnt ihr die Zügel verlängern und wieder aufnehmen, ohne Kontakt zu verlieren. Bildet ein Dreieck mit etwas breiteren Händen, insbesondere über schmale Hindernisse. Bei der Landung nehmt ihr den "safety seat" bzw. die "oh shit position" ein. Herz eines Löwens - Sitz pessimistisch, also nicht mit dem Oberkörper nach vorne klappen, das hilft dem Pferd nicht, seine Vorhand wieder hoch zu bekommen nach der Landung. Es ist wie im Flugzeug: wenn alle Passagiere vorne sitzen, hat das Flugzeug Mühe, seine Nase in die Luft zu bekommen. Der Unterschenkel bleibt bei der Landung parallel zum Vorderbein. Die Hände senkrecht unter den Augen. Die Augen sind entscheidend fürs Gleichgewicht und die Balance. Natürlich spielt auch die Fitness des Reiters eine Rolle. Behaltet euren Oberkörper ruhig. Die Zügelbrücke hilft, keine Ruderbewegungen zu machen. Also nicht ständig nach hinten ziehen der Hände mit gleichzeitiger Rückwärtsbewegung des Oberkörpers und dann wieder vorlassen der Hände mit Vorklappen des Oberkörpers. Der Hals ist des Pferdes 5. Bein. Es muss ihn frei nutzen können.
Auch das Tempo wird nicht durch ziehen verringert, sondern durch eure Position. Das Pferd muss von hinten geschlossen werden. Verlangt Konterstellung bis ihr die Linie gefunden habt. Unter Einwirkung des inneren Schenkels hilft dies, die äussere Schulter des Pferdes zu kontrollieren und das Pferd auf der Linie zu halten. Der Leitsatz heisst "Schenkel lenken, Hände führen". Fokussiert euch mit dem Tunnelblick. Schaut über das Hindernis hinaus. Merkt euch einen Punkt dahinter. Übt den lateralen Blick."

Wohin entwickelt sich der CC-Sport, welchen Pferdetyp braucht es künftig?

"Ich komme aus der alten Zeit. Früher war alles weniger technisch, sowohl in der Dressur wie auch im Gelände. Das Springen war tiefer und "straight forward". Für die Olympiade in Tokio 2020 ist ein 10-minütiges Gelände mit 45 Efforts vorgesehen, also sehr intensiv und technisch herausfordernd. Die Dressur entwickelt sich ständig, das Springen wurde höher und technischer. Wir brauchen also vorsichtige "Jumper", die das Potenzial haben, 45 Efforts in zehn Minuten zu absolvieren. Es braucht somit Pferde mit genügend Stamina, die gut trainiert sind und clever geritten werden. In Rio sah man das gut. Wer am Anfang den Hügel hoch sein Pferd hetzte, kam nicht im Ziel an. Der Kopf des Reiters ist also wichtig und es braucht nach wie vor Pferde mit genügend Vollblutanteil. Ich mag das alte Format. Es ist schade, dass es immer kürzer und kürzer wird. Aber egal wie kurz, der richtige Typ Pferd und das richtige Training bleiben nötig. Michi Jung und Ingrid Klimke haben Pferde, die keine natürlichen Überflieger sind, die aber mit dem richtigen Training Medaillen gewonnen haben. Wir brauchen kein Grandprix-Springpferd, das zu viel Energie aufwendet und dann zu steil landet, aber trotzdem genügend vorsichtige Springpferde. Ich würde eine Viersterneprüfung mit zwölf Minuten bevorzugen, die den traditionellen CC-Pferdetyp verlangt und nicht Springpferde, die zu wenig vorsichtig für einen Grandprix sind. Auch für die Sicherheit sind der Pferdetyp, das Training von Pferd und Reiter und der Coursedesigner auschlaggebend. Stürze waren Teil unseres Sports aber heute möchten wir keine Pferde stürzen sehen. Die Crossbauer müssen die Reiter durch den Gelände-Aufbau zu einer guten Position bewegen. Durch das Einsetzen von Sicherheits-Pins  werden Pferde geschützt, wenn Reiter Fehler begehen. Statt dem Trainingszustand oder dem Pferdetyp wird zu oft dem Crossbauer die Schuld gegeben. Das Thema Sicherheit bleibt eine harte Challenge."

Danke, Chris, für einen tollen Lehrgang bei uns in der Schweiz!